Magento 3 – Wohin wird sich Adobe Commerce zukünftig entwickeln?
Wie könnte die Zukunft von Magento 3 aussehen? Zugegeben, korrekterweise müsste man sagen, wie könnte die Zukunft von Adobe Commerce aussehen. Denn seit der Übernahme durch Adobe verschwindet auch der Markenname Magento Schritt für Schritt. Eigentlich schade, aber Adobe führt eben konsequent die zugekaufte Commerce Lösung ins eigene Portfolio ein.
Die Zukunft von Magento bzw. Adobe Commerce ist umso spannender, da es momentan doch eine sehr starke Dynamik im Markt der E-Commerce Lösungen gibt. Shopware hat erst kürzlich verkündet, 100 Millionen Dollar an Risikokapital eingesammelt zu haben. Zudem geben die E-Commerce Newcomer wie CommerceTools, Spryker und Emporix enorm Gas. In Deutschland noch bislang unbekannte Unternehmen wie BigCommerce wagen den Einstieg und es scheint fast so, als ob sich auch tendenziell „abgeschriebene“ Unternehmen wie OXID eSales bzw. Intershop wieder fangen und Boden gut machen.
Die Konkurrenzdichte und der Wettbewerb innerhalb der E-Commerce Lösungen nimmt daher weiter zu, aber davon profitieren natürlich die Kunden. Denn Konkurrenz und Wettbewerb führen zwangsläufig zu neuen technologischen Entwicklungen und Fortschritt. Was für die Kunden der Webshop-Lösungen gut ist, setzt aber die Hersteller unter einen gewissen Druck.
Den meiner Meinung nach größten Druck spürt momentan wohl Adobe. Denn so populär Magento im vergangenen Jahrzehnt auch war, umso mehr fehlt aus meiner Sicht aktuell die Vision. Im Rahmen einer Developer Conference kamen jetzt Details zur Zukunft von Magento ans Licht, die es in sich haben.
Magento 3 – Dahin könnte die zukünftige Reise gehen
Vorweg sei erwähnt: Es handelt sich an dieser Stelle nicht um offizielle Aussagen von Adobe. Vielmehr um das Echo und Rückmeldungen von Teilnehmern einer Developer Conference. Diese haben die Zukunft von Magento und damit auch Magento 3 wie folgt aufgefasst:
The main takeaways from the Adobe developers conference 𝗸𝗲𝘆𝗻𝗼𝘁𝗲:
- No plans to deprecate Open Source but no commitment on how long Adobe will support it
- Commerce is going fully SaaS, customisation will only be possible via the API using their dev tools
- There will be a new product: Commerce on Experience Cloud, with self hosted Commerce remaining but with no features added. Only the experience cloud version will be getting new features.
- The current codebase will only be getting security and bugfixes going forward, both hosted Commerce and Open Source
- Open Source is going to be passed completely to Magento Association (basically the community)
- Commerce functionality can be customised through Adobe IO using self-hosted services leaving the core clean for SaaS version upgrades.
- No plans for Luma, likely won’t be a part of Commerce on Experience Cloud
So there was a big focus on Commerce moving to a SaaS offering, with Open Source a side discussion right at the start of the talk.
It’s pretty much what I was expecting, although announcing passing off Open Source to the community completely is sooner than I thought, although no timescale was given. Nice to know that’s the plan though.
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Here’s the vlog with video from the keynote and deeper discussion.
https://lnkd.in/gBF857EG
Quelle: LinkedIn
Einschätzung zur Zukunft von Magento / Magento 3
Auch wenn in der Vergangenheit Adobe bereits eine ähnliche Richtung vorgegeben hat, so verfestigt sich jetzt ein wenig das Bild wohin es mit Magento gehen könnte. Aus meiner Sicht werden mittel- bis langfristig folgende Änderungen bzw. Anpassungen bei Magento auftauchen.
1. Magento 2 wird zeitnah auslaufen
Das ist sicherlich keine große Überraschung, denn jede Software hat an irgendeinem Punkt das Lebensende erreicht. Ich vermute jedoch, dass dies früher passieren wird als einige annehmen. Die erste Version von Magento 2 wurde bereits im Jahr 2015 veröffentlicht. Die Entwicklung hat zuvor auch einige Zeit in Anspruch genommen. Rechnet man diese Zeiträumen zusammen wird eines relativ schnell klar. Magento 2 ist technologisch wie auch architektonisch nicht mehr der „heiße Scheiß“, sondern gewachsen und etabliert.
Man merkt es vor allem dann, wenn man Magento mit „neuen“ E-Commerce Systemen vergleicht. Diese verfolgen in der Regel einen API First Ansatz, setzen primär auf Schnittstellen, kommen aus der Cloud und setzen auf Headless Commerce. Auf dem Papier versucht dies Magento stellenweise ja auch, aber es gibt gewaltige Unterschiede zu Lösungen wie Emporix, CommerceTools oder auch Spryker.
Zudem verfügt Adobe über die finanziellen Mittel, die Lösung komplett neu aufzubauen. Es gibt keinen Zwang, den „legacy Code“ die nächsten 10 Jahre mitzuschleppen. Kleinere Hersteller tun sich mit diesen harten Schnitten schwer, da enorme finanzielle Mittel für eine Neuentwicklung benötigt werden. Dies stellt jedoch für Adobe meiner Meinung nach kein Problem dar.
2. Magento 3 benötigt keinen Open Source Ansatz mehr
Der Open Source Ansatz hat Magento in den ersten Jahren vor allem beim Thema Verbreitung geholfen. Da jeder die Shop-Software herunterladen und nutzen konnte, stieg die Popularität enorm an. Wäre Magento aber nur kommerziell vertrieben worden, so hätte die rasante Verbreitung niemals stattgefunden. In den Anfangsjahren, als Startup, war für Magento die Verbreitung enorm wichtig. Denn nur so konnte die Lösung international ohne hohe Kosten etabliert werden.
Dieses Argument und diesen Zwang sehe ich zukünftig bei Adobe nicht mehr. Denn Adobe kann aufgrund der Synergie-Effekte mit anderen Adobe Produkten die Lösung einfach in den Markt drücken. Zudem kann Adobe die Lösung auch wesentlich besser proaktiv vermarkten.
Diese Tatsachen, in Kombination mit der anvisierten Enterprise-Zielgruppe, wird dazu führen, dass keine weitere Open-Source Variante veröffentlicht wird und dadurch auch die klassische Open-Source-Community wegbrechen wird. Eine aktive Open Source Entwicklergemeinschaft bietet meiner Meinung nach einfach keinen großen Nutzen / Vorteil für Adobe und wird daher nicht forciert.
3. Magento 3 wird ein reines Cloud Produkt
Unternehmen möchten nicht mehr auf On-Premises E-Commerce-Lösungen setzen. Hersteller möchten keine On-Premises E-Commerce-Lösungen entwickeln und warten. Aus diesen Gründen wird Magento 3 aus meiner Sicht ein Multi-Tenant (mandantenfähiges) Cloud-/SaaS-Produkt a la Shopify Plus oder BigCommerce.
Die letzten Jahre zeigen, dass der Trend genau in diese Richtung geht. Zudem merken alle E-Commerce Systemhersteller, die über eingeschränkte Cloud-Angebote à la „Managed Hosting“ verfügen, welche Nachteile dies hat. Denn Kunden verstehen letztendlich sehr gut den Unterschied zwischen einer „richtigen“ Cloud Lösung, bei der auch automatisiert Updates und Fixes eingespielt werden oder eben „Cloud Lösungen“, bei denen letztlich nur der Betrieb des Servers ausgelagert wird.
Für einen Zusammenspiel mit den weiteren Adobe Produkten, muss das neue Magento 3 bzw. Adobe Commerce nativ in die Cloud gehen. Eine On-Premises Variante wird entfallen.
4. Headless und Microservices
Im Zuge der Cloud Strategie vermute ich zudem einen ähnlichen Aufbau der Lösung wie CommerceTools oder Emporix. Magento 3 wird in erster Linie Microservices und APIs bereitstellen, die konsumiert werden. Das Frontend wird man sich letztendlich selbst bauen bzw. über den Adobe Experience Manager andocken.
Der Adobe Experience Manager wird zudem eine größere Rolle im gesamten Zusammenspielt mit Adobe Commerce spielen. Die Verzahnung auf Basis der APIs, nimmt zu. Beide Produkte werden vor allem im gemeinsamen Bundle Sinn ergeben.
5. Anpassungen bei den Lizenz- bzw. Betriebskosten
Im Vergleich mit anderen E-Commerce Lösungen verkauft sich nach meinem Empfinden Magento aktuell unter Wert. War Magento vor einigen Jahren noch fast der Spitzenreiter bei den Lizenzkosten, so ist in unseren Pitches Magento in der Regel einer der günstigeren Anbieter. Das passt aber nicht ganz mit dem eigenen Anspruch und der anvisierten Zielgruppe zusammen.
Daher vermute ich perspektivisch eine starke Anpassung beim Lizenzmodell. Weg von einer zu starken Koppelung an Umsatzbereichen, hin zu eher variablen Kosten beispielsweise auf Basis der Anzahl der Bestellungen. Ähnliche Wege verfolgt bereits Salesforce, das primär auf Basis der Anzahl der Bestellungen lizenziert (Salesforce B2B Commerce Cloud).
6. Reiner Fokus auf B2C, Bye B2B
Da Magento in den letzten Jahren die B2B Komponenten enorm vernachlässigt hat, sind neue Player entstanden. OroCommerce beispielsweise mit einer reinen B2B Fokussierung. Oder eben vor allem deutschsprachige Unternehmen wie IntelliShop, Intershop und OXID, die sich ganz stark auf den B2B Aspekt konzentrieren. International gibt es zudem weitere Unternehmen wie BigCommerce, die ebenfalls im B2B recht stark sind.
Alles in allem vermute ich eine Abkehr vom hybriden Modell in Magento 3. Aktuell versucht Magento 2 zwar beide Lager zu befriedigen: die B2B Unternehmen und die klassischen B2C Webshop-Betreiber. Die B2B Features haben aber noch nie wirklich für einen starken USP gesorgt, weswegen ich mich darauf festlege: Magento 3 bzw. Adobe Commerce wird in Zukunft rein den B2C Markt beackern und dies im Zusammenspiel mit den weiteren Adobe Produkten wie dem Adobe Experience Manager.
Fazit: Es muss und wird sich einiges ändern
Adobe ist mit Magento nun an dem Punkt angelangt, an dem sich einiges ändern muss. Die E-Commerce Software hat mittlerweile fast 10 Jahre auf dem Buckel, rechnet man die entsprechende Entwicklungszeit mit ein. In diesen 10 Jahren hat sich der E-Commerce aber weiterentwickelt und Richtungen eingeschlagen, die Magento bzw. Adobe zum Teil verschlafen haben.
Ich glaube nicht, dass Adobe noch die nächsten 5 Jahre an der aktuellen Version 2 festhalten wird. Vielmehr vermute ich die Veröffentlichung einer neuen E-Commerce Lösung innerhalb der nächsten 3-4 Jahre. Bei dieser neuen Version wird Adobe keinen Stein auf dem anderen lassen, sondern umfangreiche Änderungen einführen. Diese betreffen neben der Architektur und dem Technologie-Stack auch das Betriebsmodell, die Zielgruppe und die Preisgestaltung.
Unternehmen, die sich heute für Magento entscheiden möchten, muss dies bewusst sein. Es werden umfangreiche Änderungen auf alle Nutzer zukommen, wodurch die Software gegebenenfalls nicht mehr so gut ins eigene Unternehmen passt. Dementsprechend empfehlen wir an dieser Stelle eine umfangreiche Evaluation und Kosten-/Risikoabschätzung, da die ungewisse Zukunft definitiv in alle Projekte eingepreist werden muss.